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Kolkraben Corvus Corax    

Englisch: Raven
Französisch: Grand Corbeau

Größe:

64 cm

Kennzeichen:

Sehr ähnlich wie Rabenkrähe, aber deutlich größer, bussardgroß. Gefieder tiefschwarz, blau schillernd, Schnabel sehr kräftig. Keilförmiger Schwanz.

Gewicht:

- 1250 g

Stimme:

Viele verschiedene Rufe, mehrmals wiederholt tief und sonor "kraa" oder "krok", krähenartig "wärr", hohl "kong" oder hölzern "k-k" und stimmlos schnarrend "rrrr"

Gesang:

Bauchrednerartig aus wiederholten, schwatzenden, plaudernden Motiven

Verhalten:

Sträubt häufig sein zottiges Kehlgefieder, Flügelschlag wuchtig mit pfeifendem Fluggeräusch, segelt oft; während der Balz akrobatische Flugspiele.

Brut:

Februar - Mai, 3-6 Eier, Brutzeit 20-21 Tage, Nestlingzeit -40 Tage

Verbreitung:

Europa, Asien, N-Afrika, N-Amerika, Grönland

Als mißliebiger Vogel erbarmungslos verfolgt, war der Kolkrabe hierzulande nahezu ausgerottet. Inzwischen ist seine sonore Stimme wieder häufiger zu hören. Daß die imposanten schwarzen Vögel nun ebenso unter Schutz stehen wie Rotkehlchen und Nachtigallen, stößt freilich nicht überall auf Zustimmung. Bei vielen Landwirten gelten sie als gefährliches Pack, das mitunter ganz unverfroren junge Kälber angreift und zu Tode hackt. Daß die Kolkraben hier zu Unrecht beschuldigt werden, zeigten Dieter Wallschläger und Angelika Brehme vom Institut für Ökologie der Universität Potsdam. Sie nahmen sich drei Herden vor, von denen mehrfach tote Kälber gemeldet worden waren. Im Frühjahr 1998 legten sich Mitarbeiter des Instituts dort einige Wochen auf die Lauer und behielten rund 170 Kühe samt Nachwuchs von morgens bis abends im Auge. Dabei beobachteten sie, daß die Raben tatsächlich handgreiflich werden. Sie ziehen die Kälber am Schwanz, kneifen sie hierhin und dorthin und geben oft keine Ruhe, bis sie von der Mutterkuh verscheucht werden oder ihr Opfer auf die Beine gebracht haben. Und damit haben sie gewöhnlich ihr Ziel erreicht, denn beim Aufstehen läßt das Kalb meist einen Klacks Kot fallen. Auf diese Gabe, so entdeckten die Potsdamer Wissenschaftler, haben es die Vögel offenbar abgesehen. Solange ein Kalb vorwiegend von Milch lebt, sind die Überreste seiner Verdauung nämlich reich an Eiweiß und durchaus nahrhaft.

Größer als ein Bussard wirken Kolkraben recht bedrohlich. Mit ihrem zwar kräftigen, aber recht stumpfen Schnabel Können sie gesunde Kälber jedoch nicht ernsthaft gefährden. Nur kränklichen, von der Mutter im Stich gelassenen Geschöpfen fügen sie mit ihren hartnäckigen Attacken oft blutende Wunden zu. Nach Einschätzung der Forscher dürfte ein Landwirt, der täglich nach seinen Tieren schaut, jedoch keine Mühe haben, ein solches Kalb rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Wenn ein Tier auf der Weide stirbt, ist freilich nicht zu erwarten, daß die Raben so eine Mahlzeit verschmähen.

Obwohl sie nicht töten, bringen die Kolkraben mit ihrer derben Zudringlichkeit zweifellos Unruhe in die Herde. Außerdem lassen sie sich neben wertlosen Abfällen auch gerne das für die Kühe bestimmte Kraftfutter schmecken. Findig wie sie sind, haben sie gelernt, die gängigen Futterautomaten zu plündern. Deshalb raten die Potsdamer Wissenschaftler, diese Behälter so zu sichern, daß den ungeladenen Gästen der Zugriff verwehrt bleibt und nicht zu viele angelockt werden. Wenn die Raben eine Herde dennoch mit auffallender Ausdauer belagern, ist das nach Ansicht der Forscher ein ernstzunehmendes Warnsignal. Die Landwirte sollten dann schleunigst nach dem Rechten sehen, denn wahrscheinlich sind Kälber krank oder vernachlässigt worden.

Lästig werden Raben nur dann, wenn sie in Scharen auftreten. Solche Schwärme bestehen aus jungen Vögeln, die noch keinen Partner gefunden haben und ohne festen Wohnsitz umherstreifen. Mitglieder dieser Jugendbanden sind ebenso unternehmung-slustig wie experimentierfreudig. Alles Unbekannte wird gründlich inspiziert, um genießbare Funde in den Speiseplan einzureihen. Wie Bernd Heinrich von der University of Vermont beobachtete, interessieren sich junge Raben ebenso für unscheinbare Objekte wie für auffällig große oder bunte. Auch gut Getarntes entgeht ihnen nicht. Mühelos entdeckten sie beispielsweise die Gehäuse von Köcherfliegen, die der Biologe auf den Waldboden gestreut hatte. Bei näheren Erkundungen merkten sie bald, daß die Hülle aus ungenießbaren Pflanzenteilen einen schmackhaften Bissen beherbergt (Animal Behaviour Bd. 50, S. 695).

Diese forschende Neugier hat dem Kolkraben vermutlich geholfen, ganz verschiedenartige Lebensräume zu besiedeln. An der Meeresküste ist er ebenso zu Hause wie im Binnenland, in kargen Steppengebieten ebenso wie in dichten Wäldern. Und selbst in Kulturlandschaften kommt er offenbar gut zurecht. Je eifriger die Jungen ihre Umwelt erkunden, desto besser können sie später das vielfältige Nahrungsangebot ihres jeweiligen Lebensraums ausschöpfen. Hierzulande sind die Raben nicht nur auf Viehweiden fündig geworden. Sie stöbern zum Beispiel auch gerne auf Müllkippen nach Eßbarem und machen sich manchmal dadurch unbeliebt, daß sie auf den Äckern die frisch gesetzten Kartoffeln wieder ausgraben.

Wenn ein Kolkrabe erwachsen wird, verliert sich sein unersättliches Interesse an Neuem. Lernfähigkeit und ein gutes Gedächtnis sind freilich auch weiterhin ein wichtiges Rüstzeug im Kampf ums überleben. Das zeigten Bernd Heinrich von der University of Vermont und John W. Pepper von der University of Michigan, als sie die Vorratshaltung der Kolkraben erforschten (Animal Behaviour Bd. 56, S. 1083). Die ausgedehnten Waldgebiete des Bundesstaates Maine bieten eine abwechslungsreiche Kost, die saftige Früchte ebenso einschließt wie Insekten, Fische und Mäuse. Was Wölfe und andere Raubtiere bei ihren Mahlzeiten übriglassen, ist ebenfalls eine willkommene Bereicherung des Speiseplans. In den Wintermonaten ernähren sich die Raben fast ausschließlich von solchen Überresten. Ähnlich wie die Geier südlicher Regionen halten sie unermüdlich Ausschau nach toten Tieren. Doch anders als die Aasfresser wärmerer Klimazonen, können die Raben in den Wäldern von Maine Vorräte anlegen und tun das auch eifrig. Wenn sie Fleisch im Überfluß finden, fliegen sie immer wieder mit einem Brocken davon und vergraben ihn im Schnee. Mindestens zwei Wochen lang, so das Ergebnis der Wissenschaftler, merken sich die Vögel, wo sie ihre Speisekammern angelegt haben.

Dank der frostigen Temperaturen bleiben die Vorräte noch länger genießbar. Doch gewöhnlich schrumpfen sie trotzdem bald, weil sie von anderen hungrigen Waldbewohnern aufgespürt werden. Fuchs und Kojote zum Beispiel haben eine gute Nase für nahrhafte Happen. Die Raben müssen sich dagegen ganz auf ihr Gedächtnis verlassen. Und wenn sie zusehen konnten, wo ein Artgenosse seinen Proviant verstaut hat, finden sie auch diese Verstecke wieder. Kein Wunder, daß Kolkraben sorgsam darauf bedacht sind, neugierigen Blicken zu entgehen. Wenn sie sich unbeobachtet glauben, legen sie ihre Vorratskammern in der Nähe des Futterplatzes an. Doch sobald sich fremde Artgenossen dazugesellen, wird die Beute außer Sichtweite vergraben.

Ein seßhaftes Rabenpaar tut zweifellos gut daran, Proviant für magere Zeiten zu sammeln. Warum auch sich unstet umherstreifende Vögel diese Mühe machen, ist weniger einsichtig. Wenn eine Nahrungsquelle erschöpft ist, zieht die Schar der Junggesellen weiter, ohne ihre Vorrats-kammern geleert zu haben. Wahrscheinlich, so die Vermutung der Wissenschaftlern, sind die versteckten Fleischbrocken eine Reserve für den Notfall, auf die nur ganz selten zurückgegriffen wird. Wenn ein Rabe sich rundum sattgefressen hat, kann er ohne weiteres ein wenig von dem forttragen, was sonst anderen zufallen würde. Entsprechend gering wiegt der Verlust, wenn er die gefüllten Speisekammern verläßt, um anderswo sein Glück zu suchen. Falls er keine neuen Fleischberge aufspüren kann, bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, zurückzukehren und sich an den verborgenen Vorräten zu laben.