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Ehrfurcht und Verteufelung

Unter den wildlebenden Tieren haben nur noch Eulen, Greifvögel, Wölfe, Bären, Luchse und Fischotter einen ähnlich verbissenen Haß des Menschen auf sich gezogen wie die Rabenvögel. In heidnischer Zeit überwog die Ehrfurcht:
In germanischen wie in iranischen Religionen sind Raben dem höchsten Gott zugeordnet. Für die pazifisch-nordamerikanischen Indianerstämme ist der Rabe der große Schöpfer, Verwandler und Held, ein Symbol göttlicher Kraft.
Die jüdische und mehr die christliche Glaubensdogmatik drängte diese Nähe zu Göttlichem immer mehr zurück.
Schon im alten Testament galten Raben als "unrein", so wurde einst aus den Göttern heiligen Tieren die Inkarnation des Bösen, eine Brandmarkung, die bis heute in der Geschichte der Verfolgung und des Schutzes der Rabenvögel niederschlägt.

Wissen und Aberwissen

Nachahmungstrieb und die Fähigkeit der Lautimitation, besonders natürlich die der menschlichen Stimme, ist Gegenstand so mancher Geschichte. So berichtet Plinius, daß zu Zeiten des Kaisers Tiberius ein junger Rabe in einer Schumacherwerkstatt Sprechen gelernt habe. Das Tier wurde sehr populär, da es jeden Morgen auf das Forum flog und dem Kaiser seine Reverenz erwies.
Als ein jähzorniger Nachbar den Raben erschlug, lynchte das Volk von Rom den Rabenmörder, der Vogel aber wurde am 28.3. 35 n.Chr. mit einem königlichen Leichenbegräbnis geehrt.

Treu wie Penelope

Zoologen der Antike schlossen durch Beobachtungen auf die in der Rabenverwandtschaft weit verbreiteten ehelichen Treue. Sie wurde sogar zu hoch eingeschätzt, wenn man glaubte, daß sie verwitwet treu bleiben. Zwei Krähen galten den Griechen als ein Symbol der Ehe.

Vögel der Götter

Odin (Wotan oder Wodan) herrschte nach dem Glauben der Germanen über beide - Götter und Menschen. Er verkündete höchste Weisheit, war der Gott der Schlachten und Kriege und selbst siegreicher Held.

Auf seinen Schultern sitzen zwei Raben, Munin und Kunin (Hugin). Sie versinnbildlichen Gedächtnis und Gedanken (Erinnerung). Jeden Tag fliegen sie aus und berichten Odin ins Ohr, was dort geschieht. Als Boten des mächtigsten aller Götter waren Raben den Germanen heilig und in Flug und Verhalten vor der Schlacht das wichtigste Omen. Den heiligen Tieren Wodans, Wölfen und Raben, überließen sie daher auch die Toten der Schlachtfelder, die sie deshalb unbestattet ließen. Sie waren das "Opfer" für die Mittler zwischen Mensch und Gott. Odin selbst verwandelte sich gelegentlich in einen Raben.

In der persischen Mythologie waren dem Sonnengott zwei Raben als Boten heilig. Für die Sumerer und Babylonier ist der Rabe wie im alten China Gottesvogel.
Die Elster wiederum ist der Vogel der nordischen Todesgöttin Hel. Die Krähen unterstanden im alten Rom der Göttin Iuno, der Schützerin der Ehe, und waren damit als Symbol der Treue ebenso höchsten Götterkreisen zugeordnet.

Der Rabe als Schöpfer

Von allen Kreaturen der Erde ist für die Indianer der nordwestamerikanischen Pazifikküste der Rabe die wichtigste: Es war der Rabe, der große Verwandler, der Hüter und Bewahrer aller Kultur, Schöpfer und gleichzeitig Übermensch, erscheinend in mannigfaltiger Gestalt, der die Welt erschuf:

Er hängte Sonne, Mond und die Sterne an das Firmament, er füllte das Meer mit Fischen, setzte Lachse in die Flüsse, alles Wild und alles Eßbare ins Land. Der Rabe wies den Flüssen, Seen, Bergen und den großen Fichten, Tannen, Zypressen und Lebensbäumen ihren richtigen Ort. Er bevölkerte die Erde mit Menschen und gab ihnen Feuer. In den Totems der verschiedenen Indianerklans symbolisiert er vor allem Ansehen und Prestige.
Bis heute wird besonders oft das Motiv des Raben verwendet, der die Sonne im Schnabel trägt, um sie an den Himmel zu heften.

Gute Rabenvögel

Neben der zuverlässigen Wetterprophetie dienten Raben den Wikingern im 9. Jh. n. Chr. als Wegweiser und Kompaß während gefährlicher Seefahrt. Gott selber befahl den Raben, den Propheten Elias in der Wüste mit Nahrung zu versorgen. "Und sie brachten ihm Brot und Fleisch am Morgen und ebenso am Abend".
In Böhmen verrät das Schreien der Krähen den Dieb oder einen sonstigen Bösewicht im Wald. Reste heidnischer Ehrfurcht finden sich Überlieferungen zur magischen Wirkung von Krähen- oder Rabenfedern. Sie vertrieben Wanzen aus dem Bett.

Abneigung, Aberglaube, Haß
Der von Franz Schubert im Jahre 1827 in der "Winterreise" vertonte Text illustriert die Ängste, die schwarze Rabenvögel im Menschen auslösen können:

Krähe, wunderliches Tier,
willst mich nicht verlassen?
Meinst wohl, bald als Beute hier
meinen Leib zu fassen?